Was macht gute TrainerInnen aus?
Um das Bedürfnis der KundIn ‚ihrer Ziele, ihrer Mentalität und der ihres Tieres zu erfassen und ein für beide stimmiges Konzept zu erarbeiten ist doch — neben einem Mindestmaß an passendem Fachwissen — vor allem eines wichtig: Besonders viel über die Kundin und ihre Tiere zu erfahren!

Wie mache ich das am Besten? Indem ich die richtigen Fragen stelle und zuhöre!
Auch in persönlichen Gesprächen zeugen diese Gaben von echtem Interesse als Grundlage dafür, mich in die andere hineinzuversetzen, sie zu verstehen, nachzufühlen und ihr darauf basierend in der Folgezeit eine echte Hilfestellung zu bieten. Im Trainingsalltag und übrigens auch in der tierärztlichen Praxis ist diese „Anamnese“ die Grundlage für jeden weiteren Schritt. Denn die Therapie kann noch so innovativ sein — wenn Sie nicht zur Kundin und ihrem Tier passt, ist sie wertlos für beide.
Am Putzplatz
Ich stehe am Putzplatz mit meiner kleinen Kriegerin. Es kommt eine Trainerin, die zuvor andere Reiter auf dem Platz unterrichtet hat und sagt, wie schön sie sie findet. Ich freue mich und bedanke mich freundlich. Es folgt die obligatorische Frage nach Alter und Rasse. Das Alter kann ich noch beantworten, ihre Rasse ist irgendein spanischer Mix, gerettet, mir schon immer egal — das sage ich auch und wende mich wieder meinem Pferd zu. Trotzdem springt offensichtlich bei meinem Gegenüber der Trainingsmodus an und es folgen Ausführungen zum Exterieur meines Pferdes und was man wann mit ihr trainieren sollte (wozu ich selbst wie ihr Euch vorstellen könnt sehr genaue Vorstellungen habe ;)), an den Rest kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern. Keine Frage dazu, wer wir sind, wie es uns miteinander geht, was wir aktuell so machen, was wir schon wissen. Eine stellvertretende Situation für sehr viele mitzuerlebende „Konversationen“ im Stallalltag oder auf der Hundewiese.

Ich kenne selbst das Bedürfnis, mein hart erarbeitetes Wissen an den Mann und die Frau zu bringen, erst Recht dann, wenn ich vermute, Mensch und vor allem Tier könnten davon erheblich profitieren. Doch es hilft nicht, es ungefragt über meiner Gesprächspartnerin auszukippen. Davon bleibt in der Regel nichts hängen oder ‑noch schlimmer- der ungefragte RatSCHLAG wird als Vorwurf empfunden und stößt auf eine Abwehrhaltung. Denn ein Ratschlag ohne vorherige Nachfrage impliziert zwangsläufig auch die Bewertung „Du weißt es selber (anscheinend) nicht besser“.
Eine Hilfestellung kann nur dann angeboten werden oder ist zumindest nur dann fruchtbar, wenn das Gegenüber dazu bereit ist. Im persönlichen Kontext kann es sich anbieten, einfach mal zu fragen: „Möchtest Du gerne meine Meinung dazu hören“ oder „Darf ich Dir mit meinen Erfahrungen weiterhelfen“? Und jetzt kommt‘s: Es kann sein, dass mein Gegenüber „nein“ sagt und das ist vollkommen okay und sollte auch akzeptiert werden.
„Gespräche“ ohne gegenseitiges Geben und Nehmen, ohne Fragen und Antworten stehlen zudem wertvolle Zeit. Ich beispielsweise bin introvertiert und im Sozialkontakt zurückhaltend und bescheidend. Das führte nicht selten dazu, dass ich Laienmonologe zu medizinischen Themen oder Ausführungen zu Trainingsmethoden, über die ich selbst schon mindestens fünf Bücher gelesen hatte, über mich ergehen lassen habe. Meist brach ich derartig aufgedrängte „Gespräche“ unter Vorwand ab, ohne meinem Gegenüber mitzuteilen, was mein Beruf oder mein Vorwissen sind. Es war nicht (danach) gefragt worden und es hätte allenfalls meinem Ego genutzt, die Dinge richtig zu stellen.
Fragen zu stellen ist essentiell für das Anbieten einer Lösung. Mein ganzes Fachwissen ist nichts, aber auch gar nichts wert, wenn ich nicht vorher ermittele, wo und ggf. auch wie ich meine KundInnen abholen muss. Und es berechtigt oder qualifiziert mich auch nicht dazu, aufgrund einzelner Fakten, Vermutungen oder gar Äußerlichkeiten eine abschließende Bewertung eines Menschen, eines Tieres oder einer Situation abzugeben. Um empathisch zu sein muss ich verstehen, was in meinem Gegenüber vorgeht. Wer nicht hellsehen kann muss dazu Fragen stellen und wird hierfür oft mit überraschenden und unerwarteten Antworten belohnt ;).